Alireza, Fachlagerist
Hessen | September 2020
Mit 14 Jahren verlässt der heute 39 Jahre alte Alireza seine Heimat Afghanistan und geht mit seiner Familie in den Iran. Mit seiner Frau und seinen 2 Kindern kommt er 2016 aufgrund der prekären Lage Afghanischer Staatsbürger im Iran nach Deutschland. 2020 erfolgt bereits der erfolgreiche Ausbildungsabschluss zum Fachlageristen bei der Firma BS Bio Service OHG im Modautal. Die Hessische Landesinitiative Wirtschaft integriert hat ihn auf diesem Weg unterstützt.
Seit Ende der 1970er Jahre sind afghanische Staatsangehörige vermehrt als Flüchtlinge in den Iran ausgewandert. Für viele Afghanen galt der Iran, als ein Ort der Freiheit und des Friedens. Teils flohen sie vor Krieg und Gewalt, teils erhofften sie sich bessere Erwerbs- und Bildungschancen. Über die gesellschaftliche Lage afghanischer Migranten/-innen im Iran wird jedoch wenig Positives berichtet.
Dies zeigt auch die Geschichte von Alireza. „Als Afghanen im Iran wurden wir nie akzeptiert. Meine Kinder durften die Schule nicht besuchen. Und ich durfte keinen Führerschein machen. Der Weg zurück nach Afghanistan war für mich aber keine Option. Denn auch dort hätten meine Töchter unter dem Einfluss der Taliban keine Schule besuchen können. Das Frauenbild in meiner Heimat ist nach wie vor sehr diskriminierend. Ich wollte für meine Töchter ein besseres Leben.“ Alireza stammt ursprünglich aus einem kleinen Ort in der Nähe von Kandahar. Der Einfluss der Taliban in dieser Region ist noch heute groß.
Seit 2016 ist Alireza in Deutschland. Der Start ist auch hier schwierig. Denn als Afghane erhält er zu Beginn keinen Zugang zu Deutschkursen. Gelernt hat er die Sprache trotzdem. Weiter geht es mit der Suche nach Arbeit. „Von einer Bekannten bekam ich den Kontakt zu meinem heutigen Arbeitgeber, der BS Bio Service OHG. Nach einem kurzen Gespräch mit meinem Chef konnte ich mit der Ausbildung zum Fachlageristen anfangen“.
In das Projekt Wirtschaft integriert kommt Alireza erst nach seiner Zwischenprüfung. „Ich war in der Berufsschule immer gut, aber nach der Zwischenprüfung hatte ich plötzlich Zweifel meine Ausbildung zu schaffen. Ich habe lange gebraucht um die komplexen Fragen zu verstehen, sodass für die Beantwortung kaum noch Zeit war“.
Der Wechsel von der Sprache aus dem praktischen Berufsalltag, hin zur komplizierten Bildungssprache ist insbesondere für Menschen die Deutsch als Zweitsprache lernen eine große Hürde. Alirezas Lehrerin empfiehlt ihm deshalb die Teilnahme an der Ausbildungsbegleitungplus [ABplus]im Projekt Wirtschaft integriert, welches vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen [HMWEVW] 2016 ins Leben gerufen wurde und vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. [BWHW e.V.] hessenweit umgesetzt wird. Im Rahmen der ABplus werden Auszubildende mit erhöhtem Sprachförderbedarf und ihre Ausbildungsbetriebe durch Begleitung, Beratung und Förderung unterstützt.
Im Fachunterricht z.B. werden mit den Teilnehmenden prüfungsrelevante Inhalte durchgegangen und Prüfungen simuliert. Dadurch sind die Teilnehmenden besser auf die Aufgabenstellungen vorbereitet und lernen mit der verfügbaren Zeit und auch mit Prüfungsstress umzugehen. Im Fall von Alireza mit Erfolg. Im Juli 2020 schließt er seine Abschlussprüfung mit einer 2,3 ab und wird von seinem Arbeitgeber übernommen.
Sein betrieblicher Ausbilder Dominik Gärtner ist heute stolz auf seinen Kollegen. "Ich bin immer wieder überwältigt was Alireza auf sich genommen hat. Das ist eine fantastische Leistung. In kürzester Zeit hat er die Deutsche Sprache gelernt und sich hier bestens integriert. Aber auch ich habe viel von ihm gelernt, zum Beispiel über das Leben in mir fremden Kulturen.“
Alireza ist ein positives Beispiel gelungener Integration. Sein Weg kann für viele andere Menschen mit Fluchthintergrund als Vorbild dienen. Auf die Frage ob sich die Anstrengung gelohnt hat, erzählt er: „Ich bin endlich ein freier Mensch. Ich habe eine richtige Ausbildung und meine Kinder dürfen in die Schule gehen. Hier sind wir endlich angekommen. Mein nächstes Ziel ist die 2. Stufe meiner Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik“.